Es vergeht kaum ein Tag, an dem in der Tagespresse nicht über den Mangel an Wohnraum in Deutschland berichtet wird. So will beispielsweise DIE LINKE leerstehende Wohnungen enteignen, um sozialen Wohnraum zu schaffen. Das gilt besonders für Großstädte. Ein rein wirtschafts- und sozialpolitisches Thema? Nein, denn Arbeitgeber haben gegebenenfalls auch ein eigenes Interesse daran, ihre (neuen) Mitarbeiter in dieser Hinsicht zu unterstützen. Prof. Dr. Marion Bernhardt und Dr. Elin Reiter, tätig bei CMS Hasche Sigle in Berlin, erläutern im Interview, welche Vor- und Nachteile dies mit sich bringen kann, in welcher Form Wohnraum angeboten werden kann und was bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen ist.
DB: In Zeiten von Fachkräftemangel und steigenden Wohnkosten wird die Bereitstellung von Mitarbeiterwohnungen durch Arbeitgeber immer attraktiver. Einerseits lassen sich Arbeitnehmer noch enger an das Unternehmen binden, andererseits können diese als Anreiz für neue Mitarbeiter genutzt werden. Inwiefern sollten Unternehmen Mitarbeiterwohnungen anbieten?
Bernhardt: Zunehmende Wohnraumknappheit und steigende Mieten schrecken Mitarbeiter mittlerweile tatsächlich davon ab, sich um einen Arbeitsplatz in Ballungsräumen überhaupt erst zu bewerben. Eine zeitlich wie finanziell aufwendige Wohnungssuche kann aus Sicht eines potenziellen Mitarbeiters, der gegebenenfalls die Wahl zwischen mehreren guten Angeboten hat, eine echte Hürde darstellen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das deshalb ein Thema, das ein Arbeitgeber bei der Rekrutierung von Mitarbeitern im Blick haben muss. Die Hürde kann aber genommen werden: Ein Arbeitgeber kann für Fachkräfte bundesweit interessant werden, wenn bekannt ist, dass er Mitarbeiter bei seinem Wohnungsproblem aktiv unterstützt und eine Wohnung stellt oder vermittelt, die die Wechselentscheidung des Bewerbers zumindest für eine Übergangsphase vereinfacht.
Die endgültige Entscheidung des Mitarbeiters, letztlich seinen Lebensmittelpunkt hin zur neuen Arbeitsstelle zu verlagern, kann dann zeitlich verlagert werden, nämlich auf einen Zeitpunkt, wenn feststeht, ob die arbeitsvertragliche Beziehung sich verfestigt. Zudem sind damit natürlich oft auch finanzielle Vorteile für einen Mitarbeiter verbunden: Häufig werden die Wohnungen nämlich zu einer geringeren als der ortsüblichen Miete angeboten, zum Teil übernehmen die Arbeitgeber Mietkosten sogar vollständig. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber steigert durch entsprechende Angebote, verbunden mit einer intelligenten Werbekampagne und Kommunikation, seine Arbeitgeberattraktivität.
DB: Wie sollte die Überlassung von Mitarbeiterwohnungen in Arbeitsverträgen festgelegt werden? Was gibt es für Optionen?
Reiter: Zu unterscheiden sind zwei Modelle: die Werkmiet- und die Werkdienstwohnung. Eine Werkmietwohnung wird „mit Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses“ vermietet (vgl. § 576 BGB). Es handelt sich also um zwei getrennt voneinander bestehende Verträge, einen Arbeits- und einen Mietvertrag, wobei der Arbeitsvertrag den Anlass des Mietvertrages bildet. Es empfiehlt sich, in den Vertragsurkunden auf den jeweils anderen Vertrag Bezug zu nehmen, um die nach § 576 BGB erforderliche Verbindung beider Verträge zu verdeutlichen. Die rechtliche Selbstständigkeit beider Verträge führt dazu, dass der Fortbestand des Mietverhältnisses nicht von der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses abhängt, beide Verträge also unabhängig voneinander kündbar sind. Möglich ist es aber, vertraglich zu vereinbaren, dass während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses ausgeschlossen ist. Für die Kündigung des Mietverhältnisses einer Werkmietwohnung im laufenden Arbeitsverhältnis gelten die allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften des BGB.
Werkdienstwohnungen werden „im Rahmen eines Dienstverhältnisses“ überlassen (vgl. § 576b BGB). Hier existieren nicht zwei separate Verträge, sondern vielmehr ist die Vereinbarung zur Überlassung der Werkdienstwohnung unmittelbarer Bestandteil des Arbeitsvertrags mit der Folge, dass überwiegend arbeitsrechtliche Vorschriften Anwendung finden. Häufig erhalten Arbeitnehmer Werkdienstwohnungen zur besseren Erfüllung der Arbeitsleistung, z.B. Wohnungen am Arbeitsplatz für Pförtner, Hausmeister oder Wachpersonal. Eine Vergütung für das Bewohnen der Werkdienstwohnung muss explizit vereinbart werden. Andernfalls wird das Überlassen der Wohnung im Grundsatz als Teil der Arbeitsvergütung angesehen. Aufgrund der Einheit von Arbeits- und Mietverhältnis entfällt das Recht des Arbeitnehmers, die Wohnung zu nutzen, sobald das Arbeitsverhältnis endet. Der Arbeitnehmer muss anschließend die Räumlichkeiten an den Arbeitgeber herausgeben. Einer expliziten Kündigung der Wohnraumnutzung bedarf es grundsätzlich nicht.
DB: Bringen solche Angebote aus arbeitsrechtlicher Sicht nur Vorteile mit sich oder sollten Unternehmen auch eventuelle Nachteile im Blick behalten?
Bernhardt: Die Bereitstellung von Mitarbeiterwohnungen bedeutet natürlich immer auch einen zusätzlichen, administrativen und selbstverständlich auch finanziellen Aufwand, der je nach Fallgestaltung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Arbeitsrechtlich ist vor allem das Risiko zu erwähnen, dass das Arbeitsverhältnis endet, das Mietverhältnis aber fortbesteht. Erfahrungsgemäß ist dem Arbeitgeber daran gelegen, dass Wohnungen, die er bereitstellt oder vermittelt, von Mitarbeitern und nicht etwa von Ausgeschiedenen genutzt werden. Es sollte daher durch entsprechende vertragliche Gestaltung nach Möglichkeit sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch wieder über den Wohnraum verfügen kann.
DB: Ein kleiner Exkurs am Ende. Wie sieht es steuerrechtlich aus, wenn Arbeitgeber Mitarbeiterwohnungen zur Verfügung stellen? Was sollte hierbei beachtet werden?
Reiter: In steuerrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass Vorteile, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses in Form einer unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Wohnraum gewährt, worunter auch die Überlassung von Werkdienst- und Werkmietwohnungen fällt, einen steuerpflichtigen Sachbezug darstellen (§ 19 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG). Die Höhe des geldwerten Vorteils bemisst sich an der Differenz zum ortsüblichen Mietpreis. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ sieht nunmehr mit Wirkung zum 01.01.2020 zugunsten der Arbeitnehmer eine erhebliche finanzielle Erleichterung vor. Soweit das vom Arbeitnehmer gezahlte Entgelt mindestens zwei Drittel des ortsüblichen Mietwerts beträgt, muss er diesen Vorteil nicht mehr versteuern.
Vielen Dank für das Interview, Frau Prof. Dr. Bernhardt und Frau Dr. Reiter!
Das Interview führte Claus Dettki, DER BETRIEB, mit freundlicher Unterstützung von Joanna Iborg.