Das Britische Unterhaus hat bekanntlich den zwischen der Regierung des Vereinigten Königreiches und der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abgelehnt. Aus aktueller Sicht wird damit ein Brexit ohne Abkommen – der sog. „Hard Brexit“ – zum 29.03.2019 immer wahrscheinlicher. Ein Szenario, das derzeit die deutsche Wirtschaft und insbesondere die Finanzwelt stark verunsichert. Zu aktuellen Fragen, die sich hieraus ergeben, sprachen wir mit Dr. Till Hoffmann-Remy, Arbeitsrechtspartner bei KLIEMT.Arbeitsrecht in Frankfurt/M.
DB: Herr Dr. Hoffmann-Remy, zum Einstieg die Frage: Auf welche Konsequenzen muss sich die Wirtschaft und insbesondere die Frankfurter, aber auch Londoner Bankenwelt in arbeitsrechtlicher Hinsicht bei einem „Hard Brexit“ einstellen?
Hoffmann-Remy: „Ein ‚Hard Brexit‘ würde in der altgewohnten Aufstellung dazu führen, dass viele Banken in Deutschland gar keine Geschäftstätigkeiten mehr entfalten dürften. Klassischerweise haben gerade britische Kreditinstitute so agiert, dass das Deutschlandgeschäft in der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft (innerhalb der EU) zusammengefasst war. In einer solchen Aufstellung war es auch kein Problem, dem Ständigen Vertreter der Niederlassung Weisungen zu erteilen. Das wäre nach einem ‚Hard Brexit‘ nicht mehr zulässig: es müsste eine lokale Gesellschaft geben, die z.B. das Kredit- und Einlagengeschäft bündelt. Diese hat dann aber ihr eigenes Vertretungsorgan, das ggf. nicht so weisungsabhängig sein darf, wie das der Gesellschafterin in London recht ist. Hier wird sich im operativen Geschäft etwas verändern müssen, schon aus regulatorischen Gründen.
Darüber hinaus werden zahlreiche Spezialistenfunktionen wie beispielsweise im Bereich AML (Geldwäsche), Compliance oder Risk in Deutschland gestärkt werden müssen, damit die Gesellschaft ihren gesetzlichen Pflichten genügt. Rein juristisch ist es m.E. nicht zwingend, diese Funktionen in Deutschland zu „doppeln“, solange sichergestellt ist, dass sie einen signifikanten Teil ihrer Arbeitszeit in Deutschland für die Gesellschaft aufwenden können.
Wenn man eine solche Lösung mit ‚zwei Hüten‘ anstrebt, empfiehlt es sich, dieses Vorgehen mit der BaFin abzustimmen – und nicht zuletzt zu klären, auf welcher arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Grundlage Arbeitnehmer aus dem UK zukünftig in Deutschland tätig werden können. Das wird im Übrigen sowohl für dauerhafte Anstellungen als auch für Entsendungskonstellationen relevant.“
DB: Sie sprechen es an: Bei einem „Hard Brexit“ stellt sich unmittelbar auch die Frage nach den aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen. Was kommt auf Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer britischer Bankenhäuser zu, die – wie bisher auch – regelmäßig etwa auch bei deutschen Töchtern zeitweise tätig sind? Gibt es in diesen Fällen Handlungserfordernisse aus Ihrer Sicht?
Hoffmann-Remy: „Aufenthaltsrechtlich würde sich für Geschäftsführer und Vorstände der UK-Gesellschaft nicht allzu viel ändern. Sie bedurften für die typischerweise anfallenden Tätigkeiten und Besprechungen auch in der Vergangenheit keiner Arbeitserlaubnis und benötigen diese auch in Zukunft nicht. Allerdings benötigen sie zukünftig einen Aufenthaltstitel. Dieser kann relativ einfach in Form eines Schengen-Visums/Geschäftsvisums erlangt werden – letztendlich nur ein formaler Prozess – und berechtigt zum Aufenthalt an 90 Tagen innerhalb eines 180-Tages-Zeitraums in Deutschland. Damit kann (mit gewissen Einschränkungen) schon viel abgedeckt werden.“
DB: Wie fällt Ihre Antwort aus, wenn britische Banken Mitarbeiter mit britischem Pass etwa in einem Tochterunternehmen in Frankfurt einsetzen wollen: Müsste – mit welchen Konsequenzen – eine „Vorrangprüfung“ durchgeführt werden? Kann die Bluecard-Regelung Erleichterungen bringen?
Hoffmann-Remy: „Bei Arbeitnehmern ist die Situation typischerweise wesentlich komplexer, da ihnen für die benötigten Tätigkeiten in Deutschland auch die Erwerbstätigkeit gestattet sein muss. Die Hürde: Die Gewährung des entsprechenden Aufenthaltstitels wird in der Regel der Zustimmungspflicht der Bundesagentur für Arbeit nach der Beschäftigungsverordnung und § 39 Aufenthaltsgesetz unterliegen.
Während eine Zustimmung nur selten an schlechteren Arbeitsbedingungen scheitern wird, wird im Rahmen der Vorrangprüfung untersucht, ob für die Beschäftigung keine deutschen Arbeitnehmer, Staatsangehörige aus EU bzw. EFTA-Ländern sowie keine Ausländer, die deutschen Arbeitnehmern hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, zur Verfügung stehen. Hier gibt es derzeit natürlich mangels einschlägiger Erfahrungswerte keine Rechtssicherheit hinsichtlich der behördlichen Praxis spezifisch mit Blick auf den Brexit. Das Risiko, dass ein Aufenthaltstitel verweigert wird, ist also gegeben.
Die sog. „Blue Card“ wird den Prozess nicht pauschal vereinfachen, sondern hier wird man im Einzelfall prüfen müssen, ob die Voraussetzungen bei dem jeweiligen Arbeitnehmer erfüllt sind. Wesentliche Erleichterungen würden vor allem Übergangsregelungen bringen, die der deutsche Gesetzgeber dringend in den Fokus nehmen sollte.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Hoffmann-Remy!