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25.08.2017

Interview

„In der Welt der Blockchain ist der „Code“ das Recht“

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Der Betrieb

Der Begriff Blockchain taucht mittlerweile immer häufiger auf und nach wie vor wissen nur wenige, was sich genau dahinter verbirgt. Noch komplexer wird das Thema, wenn es um die Frage geht, welche rechtlichen Probleme die Blockchain-Technologie mit sich bringt. Im Interview erklärt Rechtsanwalt und Software-Entwickler Florian Glatz, was auf Unternehmen und Rechtsanwälte zukommt.

DB: Worum handelt es sich bei der „Blockchain“?

Florian Glatz: „Die Blockchain, welche zuerst Bitcoin – eine dezentrale digitale Währung – möglich machte, ist eine Technologie, deren Anwendung weit über den elektronischen Zahlungsverkehr hinausreicht. Die Computerprotokolle, die den dezentralen Währungsnetzwerken zugrunde liegen, machen Transaktionen über beliebige Vermögenswerte möglich, erlauben es Maschinen autonom über Gelder zu verfügen und verleihen Menschen weltweit die Fähigkeit, sich verbindliche Regeln zur Zusammenarbeit zu geben – ohne Mitwirkung von Intermediären wie Juristen, Buchhaltern, Banken, Gerichten oder überhaupt einem Rechtssystem.“

DB: Das klingt kompliziert! Können Sie uns ein praktisches Beispiel nennen, wo die Technologie eingesetzt bzw. gebraucht wird?

Florian Glatz: „Die Technologie ist wie das Internet eine Grundlagentechnologie. Sie ermöglicht zahllose Anwendungsfälle in allen Industrien. Unter anderem haben sich in folgenden Industrien nunmehr alte und junge Unternehmen zum Thema Blockchain positioniert bzw. formiert: Sharing Economy, Internet of Things, Energie, Marktvorhersagen, Musikvertrieb, Real Estate, Insurance, Healthcare, Supply Chain, Cloud Storage und Computing, Gutscheine und Loyalty-Programme, Versandhandel, Wohltätigkeit, Edelmetalle, Identitätsmanagement und vieles mehr. Die Sharing-Economy könnte von der Blockchain profitieren, indem Intermediäre wie das Taxi-Unternehmen UBER vollständig durch auf der Blockchain nachgebildet werden. UBERs Kernaufgaben, namentlich das Zusammenbringen von Fahrer und Fahrgast sowie die Zahlungsabwicklung sind Funktionen, die ein Smart Contract auf einer Blockchain autonom übernehmen könnte, ohne Profite an einen Intermediär abzuführen. Unternehmen im Bereich des Internet of Things erhoffen sich, den vernetzten Gegenständen durch die Blockchain einen höheren Grad an wirtschaftlicher Autonomie verleihen zu können. Im Energiesektor soll die Blockchain dezentralen Energiehandel zwischen lokalen Produzenten und Konsumenten ermöglichen. Marktvorhersagen sollen durch blockchainbasierte „Prediction Markets“ effizienter werden. In der Urheberrechtsindustrie kann durch das Abbilden von Lizenzketten auf einer Blockchain die Bezahlung von Anspruchsinhabern unmittelbarer und transparenter erfolgen. Globale Handelslieferketten könnten durch die Blockchain-Technologie erheblich an Transparenz gewinnen.“

DB: Also ein extrem weites Feld. In juristischer Sicht gibt es in Bezug auf die Blockchain sicher spezielle Fragen – wer haftet denn beispielsweise, wenn es technische Fehler in der Blockchain gibt?

Florian Glatz: „Hier gibt es prinzipiell keinen Unterschied zur klassischen Welt außerhalb der Blockchain. Jedoch gibt es zwei Besonderheiten zu beachten: erstens ist bei einer Blockchain nicht immer klar, wer sich hinter der Identität eines Schadensverursachers verbirgt. Denn sind die Teilnehmer auf einer Blockchain häufig nicht namentlich bekannt, sondern verstecken sich hinter einem Pseudonym. Zweitens gibt es auf einer Blockchain nicht nur menschliche Teilnehmer sondern auch autonome Softwareprogramme und Maschinen mit künstlicher Intelligenz. Diese sind aus Sicht der Blockchain gleichwertige Teilnehmer im System und von außen eigentlich auch nicht unterscheidbar. Einen autonom agierenden Algorithmus zu verklagen, könnte sich als schwierig gestalten. Andererseits hat jede Software einen Urheber und häufig auch einen wirtschaftlich Begünstigten. Diese könnten in einem solchen Fall haften.“

DB: Und wer haftet, wenn die Blockchain durch Hacker angegriffen wird?

Florian Glatz: „In der Blockchain-Welt wird weniger über Haftungsfragen nachgedacht als in der Welt außerhalb. Der Grund hierfür liegt einerseits in der schon benannten Anonymität der Teilnehmer, mithin der erschwerten Rechtsdurchsetzung. Andererseits ist eine Blockchain aber auch von Grund auf ein Netzwerk, das sich selbst verwaltet, ohne Zuhilfenahme klassischer staatlicher Institutionen, die in der Lage sind Regress zu nehmen. In der Welt der Blockchain ist der „Code“ das Recht. Wenn ein Hacker eine Schwachstelle in dem Code findet, dann steht ihm nach Ansicht vieler das erbeutete Geld auch zu. Es wird deshalb viel Wert auf Cybersicherheit gelegt und Methoden, Schwachstellen im Code der Blockchain systematisch zu verhindern.“

DB: Und welche Rolle spielt die BaFin? Kontrolliert sie die Verwender einer Blockchain?

Florian Glatz: „Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht den Finanzmarkt. Immer häufiger werden Blockchaintechnologien genutzt, um den Handel von digitalen Erzeugnissen zu ermöglichen, welche durchaus den von der BaFin regulierten Finanzinstrumenten ähneln können. Insoweit ist die BaFin sicherlich damit befasst zu verstehen, welche Tätigkeiten ihrer Aufsicht unterstehen und welche nicht.“

DB: Herr Glatz, vielen Dank für diese spannenden Einblicke in die Blockchain-Technologie!

 Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

 

Handelsblatt Fachmedien ist Medienpartner der Swiss Legal Tech 2017 Hackathon & Konferenz (2.-4. Oktober in Zürich) – erfahren Sie hier mehr über die Veranstaltung.

 

 


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