Mit dem Anwendungserlass zu § 153 AO und der Erwähnung eines steuerlichen innerbetrieblichen Kontrollsystems (Steuer IKS) hat das BMF bzw. die Finanzverwaltung einen wertvollen Beitrag zur Haftungsminimierung für Unternehmen im Steuerstrafrecht geleistet. Wie ein solches Steuer IKS in der betrieblichen Praxis aussehen könnte und wie sich dieses implementieren lässt, erklärt StB Fritz Esterer, Vorstand der WTS Group AG Steuerberatungsgesellschaft in München.
DB: Herr Esterer, weshalb ist die Erwähnung eines Steuer IKS durch das BMF so erfreulich?
Fritz Esterer: „Aufgrund der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen steuerstraf- und bußgeldrechtlichen Risiken wird die Erwähnung eines internen steuerlichen Kontrollsystems im Rahmen des Anwendungserlasses zu § 153 AO durch das BMF als große Chance verstanden. Unternehmen und deren Leitungspersonen wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, etwaige Haftungs- und Reputationsrisiken zu reduzieren. Zudem verspricht ein implementiertes und gelebtes Steuer IKS erhebliche Effizienz- und Qualitätssteigerungen in der Steuerfunktion. Nicht zu vergessen sind die sehr ressourcenbindenden Betriebsprüfungen, die dadurch beschleunigt und entschlackt werden können.“
DB: Wie ein solches Steuer IKS aussehen soll, lässt das BMF jedoch offen. Wie könnte ein erfolgreiches – und zugleich handhabbares – Steuer IKS in der Praxis aussehen?
Fritz Esterer: „Ein Steuer IKS ist ein präventives Instrument, um Risiken im Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zu vermeiden. Damit ein Steuer IKS erfolgreich sein kann, muss es die Ziele der Finanzverwaltung und der Unternehmen gleichermaßen berücksichtigen: Das heißt, Fehler sollten bereits im Vorfeld aufgedeckt werden, um richtige Steuerklärungen und -anmeldungen abgeben zu können. Von besonderem Interesse ist es deshalb, die Aufbauorganisation und die Verantwortlichkeiten abzubilden, die Rollen, Abläufe und Prozesse darzustellen sowie die Kontrollpunkte zu erfassen. Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, die vor allem auch prozessuale Risiken reduzieren. Die Dokumentation und Wirksamkeit von Kontrollen nebst dem Ergreifen von Maßnahmen und auch Sanktionen, falls steuerliche Pflichten verletzt werden, ist der Kern eines gelebten Steuer IKS. Ein weiterer essentieller Erfolgsfaktor ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Finanzverwaltung.“
DB: Die Bedeutung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung ist also immens. Wie kann dieses Vertrauen auf beiden Seiten erreicht werden?
Fritz Esterer: „Richtig. Es sollte eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien in Form eines Cooperative-Compliance-Ansatzes stattfinden. Die Vorteile eines solchen Systems liegen auf der Hand: Die strittigen Themen mit der Finanzverwaltung und die Steuerstrafrisiken können deutlich reduziert, Betriebsprüfungen erheblich beschleunigt werden. Dabei wird gegenseitiges Vertrauen bereits zu Beginn einer Betriebsprüfung durch System- und Prozessprüfungen geschaffen. Daneben sollten Wirksamkeitsprüfungen der eingeführten Kontrollen gemeinsam mit der Betriebsprüfung erfolgen. Auch in anderen Ländern hat man die Vorzüge dieser speziellen Form der Kooperation bereits erkannt. Wobei die tatsächliche Ausgestaltung des Cooperative-Compliance-Ansatzes aufgrund des unterschiedlichen Selbstverständnisses der Finanzverwaltungen – also die deutsche Eingriffsverwaltung vs. Horizontal Monitoring wie etwa in den Niederlanden – mitunter sehr unterschiedlich sein kann. Ziel muss daher auch sein, dass sich die Finanzverwaltungen gerade im Verfahrensrecht und beim Ablauf von Betriebsprüfungen deutlich besser abstimmen.
DB: Stichwort Digitalisierung. Ist es sinnvoll, ein Steuer-IKS – sofern noch nicht vorhanden – nicht in Papierform, sondern direkt technologieunterstützt zu implementieren?
Fritz Esterer: „Ein Steuer IKS sollte als Teil eines steuerlichen Risikomanagement-Systems in der Form implementiert werden, wie es bereits für andere Bereiche im Unternehmen angelegt ist. In vielen Fällen wird das typischerweise zunächst eine Mischung aus Dokumentation in Papierform und Technologieunterstützung sein. Das hängt ganz davon ab, wie fortschrittlich die vorhandenen IT-Systeme und Schnittstellen sind. Grundsätzlich sollte aber ein Steuer IKS möglichst schnell rein IT-basiert laufen. Beispielsweise schaffen datenbankgestützte Checklisten und Workflows sowie Datenanalysetools mehr Prozesstransparenz. Dies ermöglicht automatisierte Kontrollen und somit erhöhte Prozesssicherheit.“
DB: Welche Rolle spielen Monitoring- und Überwachungskonzepte in einem Tax Compliance Management-System?
Fritz Esterer: „Ein Steuer IKS kann nur dann von der Finanzverwaltung akzeptiert werden, wenn es gelebt und regelmäßig überprüft wird. Sobald Schwachstellen auftreten, sind dagegen Maßnahmen zu ergreifen und weitere Kontrollen zu definieren. Deren Einhaltung wiederum muss fortwährend überprüft und dokumentiert werden. Ein planvolles Monitoring und entsprechende Überwachungskonzepte sind deshalb zwingender Bestandteile eines wirksamen Steuer IKS.“
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Esterer!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro