Der EuGH hat sich mit der Frage befasst, ob das Verbot der Diskriminierung wegen der Religion dem entgegensteht, dass einem katholischen Chefarzt eines katholischen Krankenhauses aufgrund seiner Wiederheirat nach einer Scheidung gekündigt wird.
Die Kündigung eines katholischen Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen erneuter Eheschließung nach Scheidung kann eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen. Die Anforderung an einen katholischen Chefarzt, den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten, erscheint nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung, worüber im vorliegenden Fall jedoch das deutsche Bundesarbeitsgericht zu befinden hat. Dies hat der EuGH in der Rechtssache C-68/17 IR am 11.09.2018 entschieden.
Der Streitfall
Ein katholischer Chefarzt leitete die Abteilung „Innere Medizin“ eines Krankenhauses, das von IR, einer der Aufsicht des katholischen Erzbischofs von Köln unterliegenden deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung betrieben wird. Als IR erfuhr, dass JQ nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau, mit der er nach katholischem Ritus verheiratet war, erneut standesamtlich geheiratet hatte, ohne dass seine erste Ehe für nichtig erklärt worden wäre, kündigte sie ihm. Ihrer Ansicht nach hat JQ durch Eingehung einer nach kanonischem Recht ungültigen Ehe in erheblicher Weise gegen seine Loyalitätsobliegenheiten aus seinem Dienstvertrag verstoßen.
BAG ruft EuGH an
Der Arzt rief die deutschen Arbeitsgerichte an und machte geltend, dass seine erneute Eheschließung kein gültiger Kündigungsgrund sei. Die Kündigung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da nach der GrO 1993 die Wiederheirat eines evangelischen oder konfessionslosen Chefarztes der Abteilung keine Folgen für dessen Arbeitsverhältnis mit IR gehabt hätte. In diesem Kontext ersucht das Bundesarbeitsgericht den EuGH um Auslegung der Gleichbehandlungsrichtlinie, nach der es grundsätzlich verboten ist, einen Arbeitnehmer wegen seiner Religion oder seiner Weltanschauung zu diskriminieren, es Kirchen und anderen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, aber unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, von ihren Beschäftigten zu verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne dieses Ethos verhalten.
EuGH: Unterschiedliche Anforderungen sind in Ordnung
Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass der Beschluss einer Kirche oder einer anderen Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht und die eine (in Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft gegründete) Klinik betreibt, an ihre leitend tätigen Beschäftigten je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne dieses Ethos zu stellen, Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss. Bei dieser Kontrolle muss das nationale Gericht sicherstellen, dass die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des fraglichen Ethos ist.
BAG muss erneut prüfen
Im vorliegenden Fall hat das Bundesarbeitsgericht zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Gleichwohl weist der EuGH darauf hin, dass die Akzeptanz des von der katholischen Kirche befürworteten Eheverständnisses wegen der Bedeutung der vom Kläger ausgeübten beruflichen Tätigkeiten für die Bekundung des Ethos nicht notwendig zu sein scheint. Sie scheint somit keine wesentliche Anforderung der beruflichen Tätigkeit zu sein, was dadurch erhärtet wird, dass ähnliche Stellen Beschäftigten anvertraut wurden, die nicht katholischer Konfession sind und folglich nicht derselben Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos von IR zu verhalten, unterworfen waren. Der EuGH stellt ferner fest, dass die in Rede stehende Anforderung nicht als gerechtfertigt erscheint.
(EuGH, PM vom 11.09.2018 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)