Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass allein die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer darüber entscheidet, ob ein Aufsichtsrat dem Mitbestimmungsgesetz unterfällt. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, die in ausländischen Tochtergesellschaften Beschäftigten nicht mitzuzählen.
Der Antragsteller ist Aktionär der im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Antragsgegnerin. Die gegnerische Aktiengesellschaft ist im Bereich der Arzneimittelproduktion tätig. Im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin sitzen derzeit 1/3 Arbeitnehmervertreter auf Basis des sog. Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG). Der Antragsteller ist der Ansicht, die Arbeitnehmer müssten paritätisch neben den Anteilseignern mit der Hälfte der Sitze vertreten sein (MitbestimmungsG).
Gerichtliches Statusverfahren
Maßgeblich für den Anteil der im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer ist die Anzahl der Beschäftigten. Übersteigt diese den Schwellenwert von 2000, ist das MitbestimmungsG anwendbar und eine paritätische Besetzung vorgeschrieben. Liegt sie darunter, beläuft sich der Anteil nach den Vorgaben des DrittelbG auf ein Drittel. Die Zahl der Arbeitnehmer der Antragsgegnerin überschreitet hier nur dann die Schwelle von 2000, wenn man neben den im Inland beschäftigten Arbeitnehmern auch die in ausländischen Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin Beschäftigten mitberücksichtigt. Der Antragsteller hat ein sog. gerichtliches Statusverfahren nach §§ 98 AktG eingeleitet und beantragt, über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gerichtlich zu entscheiden ist.
Auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer kommt es an
Das Landgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die auch vor dem OLG keinen Erfolg hatte (Beschluss vom 25.05.2018 – 21 W 32/18). Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin sei zutreffend nach den Grundsätzen des DrittelbG gebildet worden, betont das OLG. Für die Berechnung der maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer komme es allein auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer an.
Betriebsverfassungsgesetz dient der Präzisierung
Der Wortlaut des MitbestimmungsG spreche zwar allein von Arbeitnehmern, ohne eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Betrieben vorzunehmen. Das Gesetz nehme aber auf § 5 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) Bezug. Dort „gilt jedoch seit jeher das Territorialprinzip“, führt das OLG zur Begründung der ausschließlichen Maßgeblichkeit der im Inland Beschäftigten an. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Die vom Antragsteller angeführte Gefahr, dass so weitere Anreize zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland geschaffen würden, stehe dieser Auslegung nicht entgegen. „Die Wertentscheidung des Gesetzgebers für das Prinzip der Mitbestimmung (ist) wie andere soziale Grundentscheidungen auch häufig mit der theoretischen Gefahr der Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland verbunden, richtet sich hieran jedoch nicht aus“. Angesichts der Vielzahl der mit der Standortwahl verbundenen Überlegungen, „dürfte die Frage der Mitbestimmung nur eine untergeordnete … Rolle spielen“.
Kein Verstoß gegen Europarecht
Die Nichtberücksichtigung von Arbeitnehmern in ausländischen Betrieben bei der Zählweise verstoße auch nicht gegen Europarecht. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit scheide aus. Die Zählweise wirke sich allgemein auf die Mitbestimmungsintensität der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat aus und treffe damit inländische und ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen. Der deutsche Gleichheitssatz werde ebenfalls nicht berührt. Aktives und passives Wahlrecht zum Aufsichtsrat stünden – aus Gründen des Territorialprinzips – allein im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zu. Folglich sei es auch sachgerecht, den Umfang der Mitbestimmung an der Anzahl dieser Wahlberechtigten auszurichten.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
(OLG Frankfurt, PM vom 29.05.2018 / RES JURA Redaktionsbüro (vcd)