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23.02.2018

Arbeitsrecht, Meldung

Massenentlassung: Kein Kündigungsschutz für Schwangere

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Der EuGH hat entschieden, dass im Rahmen einer Massenentlassung auch Schwangeren gekündigt werden darf. In diesem Fall muss der Arbeitgeber aber die die Kündigung rechtfertigenden Gründe und die sachlichen Kriterien mitteilen, nach denen die zu entlassenden Arbeitnehmer ausgewählt wurden.

Das spanische Unternehmen Bankia nahm Konsultationen mit der Arbeitnehmervertretung wegen einer geplanten Massenentlassung auf. Ein Verhandlungsgremium erzielte eine Vereinbarung, in der die maßgeblichen Kriterien dafür festgelegt wurden, welchen Arbeitnehmern gekündigt werden sollte und welche in dem Unternehmen weiter beschäftigt würden. Sodann wurde u.a. eine schwangere Arbeitnehmerin gekündigt. Grund waren „erforderliche weitgreifende Personalanpassungen“. Die betroffene Arbeitnehmerin erhob gegen ihre Kündigung eine Klage, die nun vor dem EuGH landete.

Kündigungsverbot nach EU-Recht

Die Richtlinie 92/85 verbietet die Kündigung von Arbeitnehmerinnen in der Zeit vom Schwangerschaftsbeginn bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind. In seinem Urteil vom 22.02.2018 (C-103/16) hat der EuGH entschieden, dass die Richtlinie 92/85 keiner nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung zulässig ist. Der EuGH weist darauf hin, dass eine Kündigungsentscheidung, die aus Gründen erging, die wesentlich mit der Schwangerschaft der Betroffenen zusammenhängen, mit dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Kündigungsverbot unvereinbar ist.

Kündigung hatte nichts mit Schwangerschaft zu tun

Dagegen verstößt eine Kündigungsentscheidung in der Zeit vom Schwangerschaftsbeginn bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs aus Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zu tun haben, nicht gegen die Richtlinie 92/85, wenn der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführt und die Kündigung der Betroffenen nach den betreffenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig ist. Hieraus folgt, dass die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe, die im Rahmen von Massenentlassungen im Sinne der Richtlinie 98/59 geltend gemacht werden können, unter die nicht mit dem Zustand der Arbeitnehmerinnen in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle im Sinne der Richtlinie 92/85 fallen.

Gründe für Kündigung müssen dargelegt werden

Ferner hat der EuGH befunden, dass die Richtlinie 92/85 keiner nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Arbeitgeber einer schwangeren Arbeitnehmerin im Rahmen einer Massenentlassung kündigen kann, ohne ihr weitere Gründe zu nennen als diejenigen, die die Massenentlassung rechtfertigen, solange die sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer angegeben werden. Hierzu ist nach den beiden Richtlinien in ihrer Kombination nur erforderlich, dass der Arbeitgeber (1) die nicht in der Person der schwangeren Arbeitnehmerin liegenden Gründe schriftlich darlegt, aus denen er die Massenentlassung vornimmt (nämlich wirtschaftliche, technische oder sich auf Organisation oder Produktion des Unternehmens beziehende Gründe), und (2) der betroffenen Arbeitnehmerin die sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer nennt.

Präventiver Schutz für Schwangere und Stillende

In Beantwortung einer anderen Frage hat der EuGH hingegen auch entschieden, dass die Richtlinie 92/85 einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen nicht grundsätzlich präventiv verbietet und im Fall einer widerrechtlichen Kündigung lediglich deren Unwirksamkeit als Wiedergutmachung vorsieht. Der Gerichtshof hebt hervor, dass die Richtlinie 92/85 ausdrücklich zwischen dem präventiven Schutz vor der Kündigung selbst und dem Schutz vor den Folgen der Kündigung als Wiedergutmachung unterscheidet. Die Mitgliedstaaten müssen daher diesen doppelten Schutz gewährleisten. Angesichts der Gefahr, die eine mögliche Entlassung für die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen darstellt, einschließlich des besonders schwerwiegenden Risikos, dass eine schwangere Arbeitnehmerin zum freiwilligen Abbruch ihrer Schwangerschaft veranlasst wird, kommt dem präventiven Schutz im Rahmen der Richtlinie 92/85 besondere Bedeutung zu. Das in der Richtlinie vorgesehene Kündigungsverbot trägt diesen Bedenken Rechnung. Daher ist der EuGH der Auffassung, dass der Schutz im Wege der Wiedergutmachung selbst dann, wenn er zur Wiedereingliederung der entlassenen Arbeitnehmerin und zur Zahlung der wegen der Entlassung nicht erhaltenen Gehälter führt, den präventiven Schutz nicht zu ersetzen vermag. Folglich dürfen sich die Mitgliedstaaten nicht darauf beschränken, im Fall einer ungerechtfertigten Kündigung lediglich deren Unwirksamkeit als Wiedergutmachung vorzusehen.

(EuGH, PM vom 22.02.2018 / Viola C. Didier)


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