In einem Streitfall vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hatte das Finanzamt die Umsatzsteuernachzahlung einer Steuerhinterzieherin sowohl bei der Ermittlung der Einkommensteuer als auch bei der Ermittlung der Höhe der Hinterziehungszinsen unberücksichtigt gelassen.
Die Klägerin hatte mit Selbstanzeige vom Oktober 2010 Einkünfte aus einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung für die Jahre 2002 und 2004 bis 2008 nacherklärt. Das Finanzamt erließ daraufhin entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide. Die sich aufgrund der Selbstanzeige ergebenden Umsatzsteuernachzahlungen in Höhe von insgesamt 53.813 Euro wurden in den Jahren 2010 und 2011 gezahlt.
Streit um Festsetzung von Hinterziehungszinsen
Im Bescheid über die Hinterziehungszinsen auf die hinterzogenen Steuern ermittelte das Finanzamt die Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung von § 11 EStG. Die Umsatzsteuernachzahlung ließ es daher sowohl bei der Ermittlung der Höhe der Einkünfte und der so hinterzogenen Steuer (insoweit unstreitig) als auch bei der Ermittlung der Höhe der Hinterziehungszinsen unberücksichtigt. Hiergegen wendete die Klägerin ein, bei der Ermittlung der Höhe der festzusetzenden Hinterziehungszinsen seien auch die im jeweiligen Veranlagungszeitraum hinterzogene Umsatzsteuer, welche erst in den Jahren 2010/2011 gezahlt worden sei, einkünftemindernd als Werbungskosten zu berücksichtigen. Anderenfalls käme es zu einer doppelten Festsetzung von Hinterziehungszinsen sowohl auf die hinterzogene Umsatzsteuer als auch auf die hinterzogene Einkommensteuer.
FG gibt Finanzamt Recht
Dieser Argumentation folgte FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 13.10.2017 (13 K 1967/15) nicht. Das Finanzamt habe die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und somit die Bemessungsgrundlage für die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO zutreffend ermittelt. Denn bei Kenntnis der Sachlage zum Zeitpunkt der Veranlagung – und nur auf diesen Zeitpunkt komme es an – hätte das Finanzamt anders als im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, 5 EStG die Umsatzsteuer mangels Zahlung aufgrund von § 11 EStG nicht einkünftemindernd berücksichtigen dürfen. Für eine gewinnmindernde Berücksichtigung von (fiktiver) Umsatzsteuer als „Ausgabe“ bestehe keine Rechtsgrundlage. Ebenso wenig bestehe eine Rechtsgrundlage für eine allenfalls denkbare Berücksichtigung als „fiktive“ Werbungskosten.
„Doppelte“ Verzinsung sachgerecht
Vielmehr sei im Rahmen der Überschusseinkünfte die abgeführte Umsatzsteuer gemäß § 11 EStG erst zum Zeitpunkt ihrer Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig. Der hiergegen erhobene Einwand, bei Offenlegung des umsatzsteuerpflichtigen Vermietungsverhältnisses wäre aufgrund der Voranmeldungen im jeweiligen Jahr auch die entsprechende Umsatzsteuer gezahlt worden, müsse demgegenüber als alternativer hypothetischer Kausalverlauf steuer- und steuerstrafrechtlich unbeachtlich bleiben. Denn die reine Fiktion eines nicht gegebenen tatsächlichen Geschehens könne die Strafbarkeit eines tatsächlich verwirklichten Delikts nicht entfallen lassen. Demgegenüber stelle die vorgebliche „doppelte“ Verzinsung sowohl der Einkommensteuernachzahlung als auch der Umsatzsteuernachzahlung aufgrund der Hinterziehung eine sachgerechte und systemimmanente Abschöpfung der Zinsvorteile der Klägerin aufgrund der Hinterziehung dar. Denn die Klägerin habe sowohl die Vorteile der zu niedrigen Einkommensteuerfestsetzung als auch jene der zu niedrigen Umsatzsteuerfestsetzung genossen. Beide Steuern seien nicht rechtzeitig gezahlt worden und hätten somit zu Zinsvorteilen gegenüber dem steuerehrlichen Bürger geführt.
Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH-Az. IX B 123/17).
(FG Baden-Württemberg, NL vom 22.12.2017 / Viola C. Didier)