In ihren Vorstellungsgesprächen haben längst nicht alle Unternehmen darauf reagiert, dass sich Jobkandidaten mittlerweile ihre Arbeitgeber aussuchen können. Das ist das Ergebnis einer aktuellen softgarden-Umfrage, an der 1.186 Bewerber teilgenommen haben.
„Bewerbungsgespräch“, „Vorstellungsgespräch“, „Jobinterview“. In den Begriffen kommt ein Machtverhältnis zum Ausdruck. Bewerber „bewerben“ sich, „stellen sich vor“ oder lassen sich „interviewen“, um einen Job zu ergattern. Der „längere Hebel“ liegt also auf der anderen Seite. Doch ist das wirklich noch so? Längst suchen sich auf etlichen Arbeitsmärkten die Kandidaten ihre Arbeitgeber aus, nicht umgekehrt. Haben sich Bewerbungsgespräche dieser Entwicklung angepasst? Die Umfrage zeigt: kandidatenorientierte Interviews kommen mittlerweile vor, aber ebenso „peinliche Befragungen“ durch Inquisitionstribunale und nachlässig absolvierte Pflichtübungen.
Prioritäten der Jobsucher
Auf welche Aspekte legen Kandidaten aktuell in ihren Vorstellungsgesprächen besonderen Wert? Für eine große Mehrheit der Kandidaten (79,4 %) hat eine „angenehme Gesprächsatmosphäre“ eine besonders hohe Priorität. Gleiches gilt für einen „hohen Informationswert“ des Gesprächs (72,8 %) und die „Augenhöhe“ in der Gesprächsführung (72,1 %). Im Hinblick auf die tatsächlichen Erfahrungen der meisten Kandidaten in aktuellen Vorstellungsgesprächen sind sie mit allen Aspekten nicht zufrieden, besonders gilt dies für den „Informationswert“ des Gesprächs.
Themen fürs Vorstellungsgespräch
„Worüber sollte bei einem Bewerbungsgespräch aus Ihrer Perspektive vor allem gesprochen werden?“ Hier lag bei den befragten Kandidaten mit 76,1 % vor allem die Frage nach der Aufgabe im Unternehmen vorn. Aber auch die Anforderungen an die Position wurden mit 61 % hoch priorisiert. Für fast die Hälfte der Kandidaten (49,7 %) stellen die mit der Position verbundenen „Entwicklungschancen“ ein sehr wichtiges Thema fürs Jobinterview dar.
Entwicklungschancen bleiben unbeleuchtet
In der Praxis bleiben diese Themenwünsche der Kandidaten aber zum Teil unerfüllt. Nur bei 33,8 % der Kandidaten bildete die Aufgabe im Unternehmen einen eindeutigen Schwerpunkt beim letzten Bewerbungsgespräch. Bei den „Entwicklungschancen“ waren es nur 13,9 %. 54,7 % gaben an, dass über dieses Thema kaum oder gar nicht gesprochen wurde. Die große Mehrheit der Bewerbungsgespräche kommt offenbar derzeit ohne einen Ausblick auf Entwicklungsmöglichkeiten des Kandidaten aus.
Bewerber-Todsünden bei Recruitern
Welche Eindrücke bleiben bei den Bewerbern aus ihren Vorstellungsgesprächen haften? In einem Freitextfeld berichteten die Teilnehmer über ihre individuellen Erlebnisse bei konkreten Vorstellungsgesprächen. Es zeigt sich, dass viele Bewerber-Todsünden gemacht werden: Das gilt für fehlende Pünktlichkeit ebenso wie für mangelnde Vorbereitung. Gastfreundschaft wird offensichtlich nicht in allen Unternehmen großgeschrieben: „32°C, Gespräch in der 5. Etage, nichts zu trinken angeboten bekommen“, berichtet ein Teilnehmer. Auch auf „mangelnden Augenkontakt“ sowie die fehlende Zeit, um die eigenen Fragen ans Unternehmen loszuwerden, weisen die Berichte der Bewerber hin. Auf der anderen Seite stehen die bohrenden Fragen der Personaler, mit denen sie in die Untiefen der Bewerberpersönlichkeit vordringen möchten: „Auseinandernehmen meiner Person, fast ausgezogen mit Fragen“, heißt es in einem Bericht.
Prozessgeschwindigkeit unbefriedigend
Die Umfrage zeigt auch, dass Jobsucher in den vergangenen Jahren ungeduldiger geworden sind, was die Geschwindigkeit des Bewerbungsverfahrens angeht. Aktuell räumen 71,1 % der Bewerber Arbeitgebern zwei Wochen oder weniger ein, um nach der schriftlichen Bewerbung zum Gespräch einzuladen oder abzusagen. 2014 waren es 57,3 % (Studie Online-Recruiting 2014 von softgarden). In der Praxis machen aktuell nur 47,5 % der Bewerber die Erfahrung, dass Arbeitgeber innerhalb von 14 Tagen tatsächlich „liefern“.
Chef als Gesprächspartner
Mit wem möchten Sie bei einem Bewerbungsgespräch unbedingt sprechen? Mit 80,7 % „Stimmt genau“-Antworten liegt die Priorität hier eindeutig bei „meinem künftigen Chef/meiner künftigen Chefin“, die Personalabteilung kommt auf 30,6 %. Ein Schlüssel für den Erfolg von Bewerbungsgesprächen liegt für die Unternehmen also im Verhalten der einstellenden Führungskräfte während des Gesprächs.
(softgarden e-recruiting GmbH, PM vom 02.08.2017/ Viola C. Didier)