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24.09.2024

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Eines vorab: Innenleistungen bei umsatzsteuerlicher Organschaft auch nach EuGH nicht steuerbar

Die bislang als selbstverständlich erachtete deutsche Rechtspraxis, wonach Umsätze zwischen Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft als nicht steuerbare Innenumsätze zu behandeln sind, stand auf dem Prüfstand. Der EuGH hatte es infolge einer Vorlage des BFH in der Hand, ob die umsatzsteuerliche Organschaft von einem bedeutenden Gestaltungsinstrument zu einer bloßen administrativen Meldevereinfachung degradiert und damit faktisch abgeschafft wird (so treffend Forster/Striegl, MwStR 2024 S. 465 mit einem anschaulichen Ländervergleich, wonach Innenumsätze bislang lediglich in Rumänien und Spanien als umsatzsteuerbar behandelt werden, vgl. auch L’habitant, UStB 2023 S. 157).Generalanwalt Rantos und der EuGH waren sich in der am 11.07.2024 entschiedenen Rechtssache C-184/23 erfreulicherweise einig: Innenleistungen innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind nicht steuerbar.Für Besorgnis um die Beständigkeit des Dogmas von der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen innerhalb umsatzsteuerlicher Organschaften hatten zwischenzeitlich zwei weitere Vorabentscheidungsverfahren gesorgt. Die Wogen sollten sich mit dem jüngsten EuGH-Urteil nun aber wieder geglättet haben.Dieser Beitrag soll einen Überblick über die drei jüngsten Vorabentscheidungsverfahren (vgl. Art. 267 AEUV) und Auslegungsantworten des EuGH im Zusammenhang mit der umsatzsteuerlichen Organschaft – auf „europäisch“: Mehrwertsteuergruppe – geben.

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RA/Europajurist (Univ. Würzburg) Andreas Gesell
ist Associate bei POELLATH in München

I. Vorlage des XI. Senats des BFH vom 11.12.2019 – XI R 16/18, EuGH-Urteil vom 01.12.2022 – C-141/20 (Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie) und BFH-Urteil vom 18.01.2023 – XI R 29/22

Dieses Vorlageverfahren drehte sich um

(i) die Unionsrechtskonformität der Steuerschuldnereigenschaft des Organträgers sowie

(ii) die Anforderung an die Stimmrechtsmehrheit des Organträgers im Rahmen der sog. finanziellen Eingliederung.

Die Quintessenz des BFH auf Basis der Rückmeldung des EuGH im vorangegangenen Vorabentscheidungsverfahren lautete letztlich:

„Die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft ist unionsrechtskonform“ (Folgeentscheidung des BFH vom 18.01.2023 – XI R 29/22, Rn. 20 ff.).

Ein guter Grund für ein erstes Aufatmen.

Zum Hintergrund:

Der BFH stellte dem EuGH u.a. die Frage, ob Art. 4 Abs. 4 UAbs. 2 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 der RL 77/388/EWG (nun Art. 11 Abs. 1 der RL 2006/112/EG) dahingehend auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat gestatten, anstelle der Mehrwertsteuergruppe (des Organkreises) ein Mitglied der Mehrwertsteuergruppe (den Organträger) zum Steuerpflichtigen zu bestimmen.

Der EuGH meldete darauf zurück, dass der nationale Gesetzgeber den Organträger zum einzigen Steuerpflichtigen einer Gruppe von Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, bestimmen kann, wenn der Organträger in der Lage ist, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen (vgl. dazu auch den Hinweis sogleich), und wenn diese Bestimmung zum einzigen Steuerpflichtigen nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führt (vgl. EuGH vom 01.12.2022, a.a.O, Rn. 42 ff.).

Nach deutschem Recht besteht allerdings deshalb keine Gefahr von Steuerverlusten, da alle Organgesellschaften nach § 73 AO für solche Steuern des Organträgers haften, für welche die Organschaft zwischen der jeweiligen Organgesellschaft und dem Organträger steuerlich von Bedeutung ist (vgl. EuGH vom 01.12.2022, a.a.O., Rn. 59 sowie EuGH vom 01.12.2022 – C-269/20, Rn. 52).

In Bezug auf die Anforderung der Stimmrechtsmehrheit des Organträgers im Rahmen der Willensdurchsetzung (organisatorische Eingliederung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) passt der BFH seine Rechtsprechung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (EuGH vom 01.12.2022, a.a.O, Rn. 63 ff.) an: Die finanzielle Eingliederung erfordert im Grundsatz, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht. Eine finanzielle Eingliederung liegt aber auch dann vor, wenn die erforderliche Willensdurchsetzung dadurch gesichert ist, dass der Gesellschafter zwar nur über 50% der Stimmrechte verfügt (und damit nicht über eine Stimmrechtsmehrheit), er aber eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.

II. Vorlage des V. Senats des BFH vom 07.05.2020 – V R 40 /19 und EuGH-Urteil vom 01.12.2022 – C-269/20 (S/FA T)

In einem parallel laufenden Vorabentscheidungsverfahren mit EuGH-Urteil vom selben Tag (C-269/20, S/FA T) stellte sich ebenfalls die Frage der Steuerschuldnereigenschaft des Organträgers, daneben aber auch die Frage der Umsatzsteuerbarkeit von Innenleistungen für den Bereich hoheitlicher Tätigkeiten (als sog. unentgeltliche Wertabgaben).

Die Vorabentscheidung des EuGH lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Innenleistungen unterliegen nicht der Besteuerung als unentgeltliche Wertabgaben im Lichte von Art. 6 Abs. 2 lit. b der RL 77/388/EWG, auch wenn sie teils den wirtschaftlichen und teils den hoheitlichen (unternehmensfremden) Tätigkeitsbereich des Leistungsempfängers betreffen. Die Ausführungen zur Steuerschuldnereigenschaft des Organträgers (EuGH vom 01.12.2022, a.a.O., Rn. 34) decken sich im Wesentlichen mit jenen aus der bereits unter I. genannten Rechtssache.

Zur Nichtanwendbarkeit des Art. 6 Abs. 2 lit. b der RL 77/388/EWG – in das deutsche Recht als sog. unentgeltliche Wertabgabe transponiert (§ 3 Abs. 9a UStG) – hat der EuGH geurteilt, dass

(i) diese Richtlinienregelung im vorgelegten Fall bereits deshalb keine Anwendung finde, weil die Organträgerin an die Organgesellschaft für die erbrachten Dienstleistungen ein Entgelt gezahlt hat, d.h. bereits kein unentgeltlicher Umsatz im Raum steht, und

(ii) die Annahme, dass eine Dienstleistung der Organgesellschaft, die (teilweise) für den Bereich der hoheitlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen (Organträger) bestimmt ist, umsatzsteuerbar sei, systemwidrigerweise dazu führte, die hoheitliche Tätigkeit als „unternehmensfremden Zweck“ zu behandeln, obwohl hoheitliche Tätigkeiten nach Art. 4 Abs. 5 der RL 77/388/EWG (nun: Art. 13 Abs. 1 der RL 2006/112/EG) gerade nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen sollen.

III. Vorlage des V. Senats des BFH vom 26.01.2023 – V R 20/22 und EuGH-Urteil vom 11.07.2024 – C-184/23 (S/FA T II)

Ob Innenleistungen innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft damit nach Maßgabe des Unionsrechts nicht steuerbar sind, schien dem BFH trotz der vorgenannten Vorabentscheidungen nicht mit letzter Gewissheit klar. Im jüngsten Vorlageverfahren trug der BFH die folgenden aufsehenerregenden Fragen an den EuGH heran:

1. Führt die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen nach Art. 4 Abs. 4 UAbs. 2 der RL 77/388/EWG (nun: Art. 11 Abs. 1 der RL 2006/112/EG) dazu, dass entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nach Art. 2 Nr. 1 der RL 77/388/EWG (nun: Art. 2 Abs. 1 lit. a bis c der RL 2006/112/EG) unterliegen?

2. Unterliegen entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen jedenfalls dann dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von Steuerverlusten besteht?

Ein vorläufiges Aufatmen ermöglichte der Schlussantrag des Generalanwalts Rantos, der dem EuGH vorschlug, auf die Vorlagefragen des BFH dergestalt zu antworten, dass

„entgeltliche Leistungen zwischen Personen, die einem Zusammenschluss rechtlich unabhängiger, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbundener Personen gemäß Art. 4 Abs. 4 UAbs. 2 der Sechsten RL 77/388/EWG (…) angehören, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, und zwar selbst dann nicht, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.“

Erleichterung durfte sich breitmachen, als der EuGH sich dieser Sichtweise anschloss – und zwar mit begrüßenswerter Zielstrebigkeit unter Zusammenfassung der beiden Vorlagefragen (vgl. EuGH vom 11.07.2024, a.a.O, Rn. 27 bis 47). Ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe angehört, kann nicht einzeln als ein von dieser Gruppe getrennter Steuerpflichtiger betrachtet werden, sodass schon deshalb nicht weiter bestimmt zu werden braucht, ob er die Voraussetzung der Selbständigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 der RL 77/388/EWG (nun: Art. 9 Abs. 1 der RL 2006/112/EG) erfüllt, wenn er für eine andere Einheit dieser Gruppe gegen Entgelt eine Leistung erbringt.

„Eine solche Leistung kann folglich nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nach Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie fallen“ (vgl. EuGH vom 11.07.2024, a.a.O., Rn. 40).

Damit liegt der Ball wieder beim BFH, der diese Vorlage aus Luxembourg auf nationaler Ebene nur noch vollenden muss.

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